Gründung der Bergarbeiterorganisationen in Altenessen
Verband zur Wahrung und Förderung der bergmännischen Interessen im Rheinland und Westfalen (,‚Alter Verband“)
Nach dem gescheitertem Bergarbeiterausstand von 1889 reifte in den meisten Kumpel die Überzeugung, daß sie ohne starke Organisation ihre Forderungen gegenüber den Zechenbesitzern nicht durchsetzten konnten. Am 18. August 1889 trafen sich in Dortmund-Dorstfeld etwa 200 Delegierte von 66 Zechen und 44 Knappenvereinen. Die Anwesenden bestimmten den Altenessener Bergmann Bauer in die Leitung dieser Zusammenkunft. Die Versammelten einigten sich schnell auf ein Statut, es schloss Religion und Politik in jeder Hinsicht aus. Am 20. Oktober beabsichtigten die Vertreter der Arbeiter, einen Vorstand für den neuen Verband zu wählen, aus Altenessen beteiligten sich erneut die Vertreter Bauer, Massenberg und Schonnefeld an der Abstimmung. Es kam aber zu keinem Ergebnis, da der überwachende Polizeiinspektor Böttcher, nach einer Äußerung eines Delegierten, die Versammlung auf Grund des Sozialistengesetzes auflöste.
Eine Woche später war es dann so weit. Ohne Diskussion, man wollte der überwachenden Polizei keinen Grund liefern die Zusammenkunft erneut aufzulösen, wählten die Anwesenden in geheimer Wahl den Vorstand. Als einen Beisitzer bestimmten die Delegierten Johann Massenberg aus Altenessen. Als Gründungsdatum der Altenessener Ortsgruppe kann der 28. September 1889 angesehen werden. Man bestimmte an diesem Tag die Mitglieder, die Altenessen auf dem Gründungskongress am 20. Oktober vertraten. Die treibenden Kräfte in der Gruppe dürften wohl Johann Massenberg, Friedrich Bauer, Johann Kleine-Schonnefeld, Bernhard Jedamsky, Anton Kleinschulte und Johann Mehlis gewesen sein. Mit der Konstituierung einer Zahlstelle veröffentlichten die Verantwortlichen mehrere Lokale, in denen Bergleute die Möglichkeit besaßen, sich in den neuen Verband aufnehmen zulassen. Schnell fanden sich 200 Kumpel, die sich der Organisation in Altenessen anschlossen. 1891 zählte die Organisation bereits 381 Mitglieder.
Die anfängliche Euphorie wich schnell, da sich durch die Organisationsgründung nichts entscheidendes an der Situation der Arbeiterfamilien änderte. Das zeigte sich auch an der Anzahl der Zahlstellen auf Altenessener Gebiet. Es bestanden bei der Neugründung vier Gruppen. Jedoch am 1. Februar 1890 gab der Gesamtvorstand bekannt, daß sich zwei von ihnen wieder auflösten; den Mitglieder empfahl man sich den noch bestehenden anzuschließen. Ein Jahr später gab es dann erneut vier Ortsgruppen in Altenessen. Man traf sich nun aber nicht mehr jede Woche, sondern nur noch einmal im Monat.
Die ersten Anstrengungen der Zahlstellenleitungen galt der Beschaffung von Versammlungsräumen, 1894 mußte beispielsweise eine Zusammenkunft verschoben werden, da der Wirt ihnen wieder einmal den Saal verweigerte. Ab 1899 gab der Besitzer des Lokals Krone, dem Vertrauensmann endgültig Bescheid, daß der „Alte Verband“ seinen Saal nicht mehr benutzen durfte. Auf der Suche nach einem neuen Versammlungsort wechselten die Lokale jetzt fast jeden Monat. Im Oktober 1899 fanden die Verantwortlichen des „Alte Verband“ in Altenessen einen neuen Treffpunkt; in der Zukunft tagte man beim Wirt Bollens, obwohl dessen Saal manchmal für Veranstaltungen zu klein war.
Nach anfänglichen, mehrfachen Wechsel der Ortsgruppenleitungen, verweigerte der „Alte Verband“ die Namen der Vertrauensmänner, höchstwahrscheinlich aus Angst vor Repressalien durch die Zechenbesitzer. Ab 1897 bestimmten die Mitglieder den Knappschaftsältesten Franz Focke zu ihren neuen Ortsgruppenleiter. Er führte von nun an für lange Zeit die Gruppe in Altenessen; da er Knappschaftsältester war, besaß die Zechenverwaltung wenig Mittel um Druck auf ihn ausüben.
Die Organisierten beim „Alte Verband“ veranstaltete aber nicht nur gewerkschaftliche Treffen. 1891 schlossen sich mehrere Zahlstellen aus Essen und der Umgebung, wozu auch Altenessen gehörte, zu dem Zweck zusammen eine Weihnachtsfeier durchzuführen. 1903 war die Orts-gruppe dann so groß, daß sie eine eigene Weihnachtsfeier nur für ihre Mitglieder in die Wege leiten konnte. 1897 unternahm man im Vereinslokal ein Sommerfest mit einem „Tanzkränzchen“. 1900 diskutierten die Anwesenden einer Mitgliederversammlung einen Ausflug nach Ruhrort und weiter nach Velbert. 1904 erhöhte die Zahlstelle den Mitgliedsbeitrag um 10; diesen Betrag verwandten sie für einen Kranz bei einer Beerdigung.
Gewerkverein christlicher Bergarbeiter
Erste Anzeichen, erneut einen christlichen Verband einzusetzen, brachte eine Protestversammlung des christlichen Arbeiterverein Essen am 2. April 1894. Die Anwesenden protestierten gegen die Entsendung von Delegierten des „Alte Verband“ zum internationalen Arbeiterkongress in Berlin. Bei dieser Zusammenkunft hörte man Stimmen, die eine neue christliche Organisation ins Leben rufen wollten. Der Altenessener Bergmann August Brust setzte sich nun vehement für einen christlichen Verband ein. Am 26. August 1894 war es dann soweit, in der Essener Rothenburg versammelten sich 424 Delegierte und hoben einen christlichen Gewerkverein aus der Taufe. Die Anwesenden wählten August Brust zum ersten Vorsitzenden.
In Altenessen trafen sich die Mitglieder der neuen Vereinigung erstmals am 2. Februar 1895 zu zwei Versammlungen. Für den nördlichen Teil trafen sich 150 Bergleute und für den südlichen 50 bis 60 Kumpel. Einen Monat später gaben die beiden Ortsgruppen die Lokale an, wo Bergleute die Möglichkeit des Beitritts bekamen.
Im Gegensatz zum „Alten Verband“ besaß der Gewerkverein keine Schwierigkeiten Treffpunkte für ihre Veranstaltungen zu bekommen. Die Ortsgruppen trafen sich von Anfang an bei den Wirten Koppers und Bonnemann, später kam noch der Wirt Dierkes hinzu. Man zwang sie nicht ständig ihre Versammlungsorte zu wechselten. Zu den Gründungsmitgliedern hier, zählten, neben August Brust, noch Johann Kasse, Peter Spürkel und Heinrich Timmerscheidt.
In der Anfangsphase der Ortsgruppe ließ sich über die Mitgliederzahlen nicht viel aussagen. Erstmals gab Brust im Dezember 1900, auf einer Mitgliederversammlung bekannt, daß der Zahlstelle Altenessen über 600 Bergleute angehörten. 1904 beschäftigte der Gewerkverein Altenes-se dann einen Geschäftsführer.
15.02.2021 Altenessener Geschichtskreis, Hans-Jürgen Schreiber