Geschichte im Essener Norden

 

Das Grabdenkmal für den Sanitätsrat Dr. Theodor Pielsticker auf dem Nordfriedhof in Altenessen.

 

Wer den Friedhof am Nebeneingang hinter der Zeche Carl betritt, kommt nach wenigen Metern rechts auf dem Weg zu einem auffällig großen Grabstein aus schwarzem Granit.


Die Inschrift lautet:
„Sanitätsrat Doktor Theodor Pielsticker, * 26. October 1842, + 22. November 1900, Gewidmet von seinen Mitbürgern".
Darüber ist eine Reliefplatte aus Bronze mit seinem Bildnis eingearbeitet. Ein kleines Schild weist darauf hin, dass dies ein Ehrengrab der Stadt Essen ist.

Wer war Theodor Pielsticker? Im Stadtarchiv gibt es eine Akte zu diesem Denkmal mit einem Nachruf des Gemeinderates Altenessen vom 23. November 1900:

Nachruf

Gestern verschied nach schwerem Leiden unser treuer Mitbürger und Beigeordneter

Herr Sanitätsrat Dr.Theodor Pielsticker,

Mitglied des Kreistages, des Kreisausschusses und der Bürgermeisterei und Gemeinde-vertretung .Trauernd steht die gesamte Bürgerschaft an der Bahre eines edlen Mannes, dessen arbeitsreiches Leben den Kranken und Armen in hohem Maße gewidmet war.
Durch seinen biederen Charakter, seine Herzensgüte und Menschenfreundlichkeit hat er sich die Liebe und Verehrung der Bürgerschaft über das Grab hinaus gesichert. Auf allen Gebieten des Gemeinwohls war er ein rastloser Helfer und Förderer und manche kommunale Einrichtung verdankt ihm ihr Entstehen.

Theodor Pielsticker wurde am 26. Oktober 1842 in der Nähe von Meschede geboren und starb am 22. November 1900 in Bochum. Nach seinem Studium war er von 1867 bis zu seinem Tod als Arzt in Altenessen tätig. Es war die Zeit, in der Altenessen von einem kleinen Dorf mit wenigen Einwohnern schnell zu einer großen Bergbaugemeinde heranwuchs.

Arbeiter und ihre Familien hatten damals keinen Schutz durch Sozialversicherungen. Es gab keine Krankenkassen, die die Kosten für Behandlung und Medikamente übernahmen.

Menschen, die Hilfe brauchten, hat Dr. Pielsticker in seiner Praxis behandelt und oft auf Bezahlung verzichtet.

Als Mitglied des Gemeinderates hat er sich auch für die Belange der Gemeinde eingesetzt: für die neu gegründete Ortskrankenkasse, den Ärzteverein und viele andere Vereine in Altenessen und im Kreis Essen. Seine Freundlichkeit und Güte wurden gerühmt. Er bekam den Ehrentitel „Sanitätsrat" verliehen für seine erfolgreiche 20-jährige Praxisausübung in der Gemeinde Altenessen.

Nach seinem Tod wollte die Bürgerschaft seine Arbeit durch ein bleibendes Erinnerungszeichen würdigen. Und so kam der Gedanke auf, ihn durch ein Grabdenkmal zu ehren. Auf Einladung des Bürgermeisters Stankeit trafen sich am 14. November 1902 Personen aus Industrie, Verwaltung und Bürgerschaft und beschlossen, die Mittel durch eine Sammlung aufzubringen, die Gemeinde wollte sich mit einem Zuschuss beteiligen. Vier „Honoratioren" haben die Sammlung durchgeführt. Auf den heute noch erhaltenen Sammellisten sind viele bekannte Namen: z. B. spendete die Firma Van Eupen 50 Mark. Es waren aber auch kleine Beträge über 50 Pfg. oder 1 Mark dabei. Das Geld war recht schnell zusammen, so dass Anfragen für das Grabmal bei entsprechenden Firmen gemacht werden konnten. Die Firma „Selke Photosculpt" in Berlin stellte einen Entwurf vor, der nach einigen Änderungen auch ausgeführt wurde. Das Denkmal kostete einschließlich der Fracht von Berlin nach Essen 1683,60 Mark. Dazu kamen noch einige Kosten für die Aufstellung und Gestaltung des Grabes für Altenessener Firmen.

Am 29. November 1903, wenige Tage nach dem dritten Todestag, fand die Einweihungsfeier auf dem Altenessener Friedhof statt. In der Presse wurden die Bürger der Gemeinde eingeladen. Es kamen viele Vertreter der Organisationen, in der Dr. Pielsticker Mitglied war. Bürgermeister Stankeit wies noch einmal auf die Verdienste des Verstorbenen hin, die er sich besonders um die Armen und Bedrängten erworben hatte. Es wurden viele prachtvolle Kränze von der Bürgerschaft und den Vereinen niedergelegt.

Dr. Pielsticker hatte seine Wohnung / Praxis in dem Haus Essen-Horster-Straße 263, heute Altenessener Straße, schräg gegenüber dem Rathaus Altenessen. Das Grundstück ist heute leer. Dort beginnt neben der Berne der neue Berne - Radweg. Vorne an der Straße steht eine mächtige Kastanie mit ca. 1 m Stammdurchmesser. Sie ist bestimmt über 100 Jahre alt.

Am 9. Juli 1915 wurde in Altenessen - Süd, in der Nähe vom Rathaus, die Gertrudstraße in Pielstickerstraße umbenannt. Sie ist eine der wenigen Straßen, in der noch Häuser stehen, die im Krieg nicht zerstört worden sind.


11.03.2014 Günter Napierala