Familie Ruben
Die Geschichte eines Modehauses an der Altenessener Straße 394 - 396
Das wohl bekannteste und größte jüdische Kaufhaus in Altenessen war das Manufaktur- und Modewarenhaus Gustav Ruben. Rickchen und Gustav meldeten sich am 21. Dezember 1874 im hiesigen Stadtteil an. Sie wohnten in der Sektion A 161 ½, der heutigen Altenessener Straße, bei Wallner.
Gustav Ruben wurde am 23. September 1846 in Herford als Itzig geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Abraham und Veilchen Ruben geborene Strelitzon.
Gustav wanderte am 9. Juli 1866 nach New York aus und kehrte 1874 nach Herford zurück. Der preußische Staat bürgerte ihn am 7. November wieder ein. Zwei Tage später heiratete er Frederike genannt Rickchen Herzstein in Bodenfelde an der Weser. Sie kam am 25. Juni 1848 dort zur Welt und war das Kind des Metzgers Herz und Zerline Herzstein geborene Kahlberg.
Weser. Sie kam am 25. Juni 1848 dort zur Welt und war das Kind des Metzgers Herz und Zerline Herzstein geborene Kahlberg.
Gustav Ruben eröffnete in der Altenessener Straße 394 bis 396 ein Manufaktur- und Schuhwarengeschäft. Er verbuchte schnell Erfolg, daß zeigen die vielen Geschäftsanzeige in den Essener Zeitungen oder in den Festschriften der Altenessener Vereine. In den Anfängen des Kaufhauses gehörte das Haus der Witwe Wacholder. Später übernahm Gustav Ruben die Eigentumsrechte an dem Gebäudekomplex Altenessener Straße 394 bis 396. 1898 erfolgte ein Neubau. Das Kaufhaus genoß in Altenessen ein sehr hohes Ansehen. Noch heute erinnerten sich ältere Mitbürger gut an das Geschäft. Einige Aussagen bewiesen das: „Ruben war ein großes schönes Geschäft, ein feiner Laden“.
Werbung aus der Festschrift ATV 1928
Das Ehepaar bekam vier Kinder, ein Mädchen und drei Jungen. Max wurde am 10. März 1876, Helene am 12. Mai 1878, Georg am 25. März 1880 geboren. Zur Familie gehörte noch der Sohn Alfred.
Max Ruben besuchte das Realgymnasium in Altenessen und das Gymnasium in Tauberbischofsheim. Er studierte Medizin in München, Berlin und Gießen. In München arbeitete er als praktischer Arzt. Er war nie verheiratet. Durch den Boykott seiner Arztpraxis war er gezwungen diese aufzugeben und starb am 20. Januar 1936 in München. Zu den beiden anderen Söhnen ist nur bekannt, daß Georg im Alter von 18 Jahren am 31. Mai 1898 starb. Über Alfred konnte nichts in Erfahrung gebracht werden.Albert Rothenberg absolvierte im Kaufhaus Ruben vom 1. April 1892 bis 1. April
1893 eine Ausbildung. Er war als fünftes Kind der Eheleute David und Julia Rotheberg geboren Freudenthal, am 5. April 1875 in Dassel geboren. Er besuchte das Realprogymnasium in Einbeck und kam nach Ableistung des einjährig-freiwilligen Militärdienst nach Altenessen. Helene Ruben verliebte sich in Albert und heiratet ihn am 16. Juni 1899 in Altenessen. Das Ehepaar bekam eine Tochter; Anna Julia erblickte am 13. Dezember 1900 das Licht der Welt. Am 1. Weltkrieg nahm Albert Rothenberg fast drei Jahre als Soldat teil. In dieser Zeit führte Helene das Geschäft allein.
1902 starb Rieckchen Ruben am 2. November. Albert übernahm nun das Geschäft und vergrößerte es; die Neueröffnung erfolgte am 1. Februar 1903.
Gustav Ruben verließ Altenessen und ging nach Bonn. Dort machte er die Bekanntschaft der 14 Jahre jüngeren Janette Recht. Sie kam am 29. Dezember 1860 in Giershofen im Kreis Neuwied zur Welt. Ihre Eltern waren der Handelsmann Jakob und Jutta Recht geborene Moses. Am 24. März 1908 heiraten beide in Honnef und ließen sich dort nieder. In der Reichenberger Straße 98 übernahmen die Eheleute eine Fremdenpension. Die Interessen der jüdischen Gemeinde vertrat Gustav Ruben vehement. Von 1908 bis zu seinem Tod war er Rendant in Honnef. Er starb dort am 13. Januar 1913, im Alter von 73 Jahren. In einem Nachruf würdigte der Synagogenvorsteher Alexander Sichler seine Verdienste. Er habe „sich in uneigennütziger Weise für die Verwaltung der Synagogengemeinde eingesetzt.“ Janette führte die Pension bis zu ihrem Tode, am 16. März 1928, weiter.
Albert Rothenberg führte das Geschäft in Altenessen bis 1929, dann gab er es auf und verpachtete die Geschäftsräume an das Hamburger Unternehmen EPA, Einheitspreis AG. Die Familie Rothenberg wechselte Anfang der 1930er Jahre den Wohnsitz und ließ sich in Wiesbaden nieder. Die Familie blieb aber im Besitz der Häuser in der Altenessener Straße und war immer wieder hier.
Helene und Albert Rothenberg
Mit der Machtergreifung der Nazis warnte ein Freund der Familie, der Betriebsführer Oskar Nölker, Albert vehement vor den braunen Horden. 1939 war die Familie Rothenberg gezwungen die Gebäude in der Altenessener Straße, weit unter Wert an die Hamburger Rudolf Karstadt AG zu verkaufen.
Im Dezember 1934 erkrankte Albert Rothenberg an einer Rippenfellentzündung. Er starb an den Folgen dieser Krankheit, am 5. Januar 1935, im Alter von 59 Jahren in Wiesbaden. Welch ein Zynismus des braunen Regime; nach dem Tod von Albert verlieh man ihm „Im Namen des Führers und Reichskanzler“ am 18. Januar 1935 das „Ehrenkreuz für Kriegsteilnehmer.“ Seine Frau blieb weiter in Wiesbaden wohnen. Sie überlebte ihren Mann jedoch nur 1 ½ Jahre. Helena Rothenberg starb im Alter von 58 Jahren, am 3. August 1936. Sie legte sich zum Schlafen hin und wachte nicht mehr auf.
Anna Julia heiratete am 13. Mai 1923 den Landgerichtsrat Joseph Franken. Er war am 28. August 1887 in Bedburg Kreis Bergheim als Sohn eines Kaufmanns geboren. Sie zog zu ihm nach Düsseldorf. Sie bekamen zwei Töchter Hilde Edith und Lore Hermine. Sie konnten aus Deutschland nach Palästina fliehen, kehrten aber nach Beendigung der Naziherrschaft nach Deutschland zurück, da Josef in Israel keine Arbeit fand. Er starb am 22. März 1981 in Düsseldorf. Anna Julia folgte ihm am 3. Februar 1984 im Alter von 83 Jahren, ebenfalls in Düsseldorf. Die Tochter Hilde Edith lebte mit ihrem Ehemann in Tel Aviv in Israel. Lore Hermine wanderte von Israel nach Amerika aus und wohnte mit ihrem Ehemann in York / Pensylvenia.
Hans Jürgen Schreiber, Altenessener Geschichtskreis, 30.11.2021