Die Bauerschaft Vogelheim & die Familie Schulte Vogelheim
Wie die Industrie sich entwickelte: von der Kohle zum Eisen und zum Aluminium
Auf der Bottroper Straße, von der Hafenstraße bis zur Stadtgrenze Bottrop, fahren wir an einem großen Gewerbegebiet vorbei. Die Hauptdurchgangsstraße ist die Econova Allee, die bis zum Stadthafen führt. Hier haben sich viele Firmen und Handwerksbetriebe angesiedelt. Viele, die hier arbeiten, werden kaum wissen, dass hier ehemals ein uraltes, fruchtbares Land mit Bauernhöfen und zwei Adelssitzen aus dem 13. Jahrhundert, Haus Horl und Haus Heck, war. Der Mühlenbach, die Berne und die Emscher flossen in vielen Windungen durch diese Ebene.
In einer Urkunde vom 5. Juni 1376 wird berichtet, dass die Geschwister Vogelheim eine Rente an Wessel von der Knippenborgh (Bottrop) verkaufen. Zitat: „Von diesen Knippenborghern sind die Vogelheimer nicht mehr losgekommen. Bald verkaufen sie auch ihren Stammsitz an die Knippenborgher, d.h. das Lehnsrecht; fortan behalten sie ihren Stammhof nur als behandigte Bauern. Die Knippenburger bleiben die Landesherren. Beim Teilungsrezess von 1830 erscheint eine Freifrau von Asbeck als Besitzerin der Knippenburg und Landesherrin von Vogelheim. Es gibt noch viele Urkunden über Erbfolge der Vogelheimer in den Archiven.
Die „Stammtafel“ der Familie Schulte Vogelheim in Vogelheim wurde nach den Standesregistern der St. Dionysius Pfarrgemeinde in Borbeck erstellt. Die Standesregister gibt es seit 1675. Sie enthalten in vielen Bänden jeweils die Tauf-, Sterbe- und Heiratseintragungen. Es gibt kein einheitliches Schema, jeder Pfarrer machte auf seine Weise die Eintragungen. In der Regel wurden nur Namen genannt, Stand, Gewerbe und Wohnort fehlen immer. Auch der Herkunftsname der Frauen wird nicht genannt. Oft sind aber über die Taufpaten der Kinder die Namen zu finden, sogar der Vermögensstand ist daraus zu erkennen. Ab 1782 werden die Eintragungen in „schwere Bücher“, die von der Äbtissin gestiftet wurden, umfangreicher. Nur in Borbeck fehlen die Jahre 1804 + 1805 + 1806 vollständig. Die Listen werden im Pfarrarchiv von St. Dionysius aufbewahrt. Der Familienname Vogelheim ist dabei immer gleich geblieben. Der Hof Vogelheim war nicht zu besonderen Kirchenleistungen verpflichtet, darum ist er auch in Abgabelisten nicht zu finden. Interessant ist, dass in den alten Heiratslisten immer als Name „Schulte zu Vogelheim“ eingetragen wird. Erst viele Jahre später entfällt das „zu“ und es wird Schulte Vogelheim eingetragen. Die Heiratslisten enden 1878.
Die Entwicklung der Industrie in Vogelheim
Der Mühlenbach, die Berne und die Emscher sind Flachlandbäche. Um 1850 schlängelten sie sich in vielen Windungen durch Vogelheim. An einigen Stellen sind sie gestaut worden, um Wassermühlen anzutreiben. An der Econova Allee Nr.1 sind 1990 auf einem großen Parkplatz einer Maschinenbaufirma Werkshallen erweitert worden. Dabei wurden Mauerreste und Pfahlgründungen der alten Wasserburg Haus Horl gefunden. Hier verlief früher der Borbecker Mühlenbach. Ein Stück des ursprünglichen Wassergrabens war noch zu erkennen. Es ist auch ein Mühlstein gefunden worden, der wahrscheinlich von der Wassermühle stammt, die dort mal vorhanden war. Die Ur-Berne verlief ca. einen Kilometer nördlicher an Haus Heck vorbei. Dort ist heute die Aluminiumhütte. Von der Wasserburg und der alten Berne gibt es nichts mehr.
Ab 1860 sind die Abwässer der Stadt Essen und der Industrie ungeklärt in die Berne geleitet worden. Ein klarer, fischreicher Bach entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer stinkenden Kloake. Es kam zu einem über 30 Jahre währenden Rechtsstreit zwischen der Gemeinde Altenessen und der Stadt Essen. Erst durch die Gründung der Emschergenossenschaft 1899 und den Umbau der Emscher und ihrer Nebenbäche zu Betonabwasserkanälen wurde das Problem gelöst.
Die Stadt Essen war schon ab 1905 an einem Kanalprojekt im Norden interessiert, um Güter, vor allem Kohle, auf dem Wasserweg zu befördern. Für den geplanten Kanal mit einem Hafen hatte die Stadt Essen viele Bauernhöfe aufkaufen lassen. 1915 ist Borbeck und damit auch Vogelheim nach Essen eingemeindet worden, somit hatte die Stadt die Planungshoheit. Der Essener Stadthafen wurde in mehreren Bauabschnitten 1934 fertig gestellt. Auf der ehemaligen großen Waldfläche der Borbecker Mark und der Bauerschaft Vogelheim entstand am Kanal und am Stadthafen ein neues großes Industriegebiet.
Krupp Hochofenwerk am Kanalhafen 1929
Im Krieg wurde das Hüttenwerk stark beschädigt. Die noch vorhandenen Anlagen wurden demontiert, und als Reparationsleistung in die Sowjet-Union gebracht. Erst Ende der 50er Jahre sind die letzten Ruinen abgebrochen worden.
1959 ist an dieser Stelle eine Krupp-Rennanlage errichtet worden. In vier Drehrohröfen wurden Erze mit geringen Eisenanteilen, die überwiegend aus Salzgitter kamen, aufbereitet für den Einsatz in Hochöfen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Anlage 1962 stillgesetzt und abgebrochen.
Vor 125 Jahren gab es in der Borbecker Mark und der Bauerschaft Vogelheim entlang der Emscher ein großes Waldgebiet mit Eichen und Buchen, hierdurch flossen drei Bäche zur Emscher. Zwei alte Wasserburgen, Haus Horl und Haus Heck und viele alte Bauernhöfe gab es hier. Die Wasserburgen sind abgerissen worden, die Höfe verschwanden. Der Bachlauf der Berne und des Mühlenbachs wurden zusammengelegt. Heute gibt es keine Spuren mehr von dieser alten Kulturlandschaft. Alles ist weg!
Quellen Auswahl:
Heinrich Schulte, Forschungen zur Familiengeschichte Schulte Vogelheim, 1931, mit Familien Wappen,
Historischer Verein für Stadt und Stift Essen, „Die Marken in den Stiften Essen und Rellinghausen“ 1926
Fotos: Krupp Monatsheft, Oktober 1929 und eigene Aufnahmen
04.09 2023 Altenessener Geschichtskreis, Günter Napierala