Geschichte im Essener Norden

 

Mit Dampf Durch Borbeck

Ein Zug mit Erz von Ruhrort Hafen zur Henrichshütte nach Hattingen im Dezember 1973


Das Fauchen und Zischen der Dampflokomotive aus Richtung Dellwig war schon lange vorher zu hören. Schnell den Fotoapparat  rausholen, Film weiterdrehen, Blende, Belichtung und Entfernung einstellen, dann war der Zug auch schon da! Für mehr als zwei Fotos reichte die Zeit nicht. Es war ein Erlebnis: diese schwere Lok mit der mächtigen Rauchfahne. Der Zug musste in Borbeck vollen Anlauf nehmen, um mit den vielen schweren Erzwagen die Steigungsstrecke nach  Fronhausen zu schaffen. Der Heizer war mit dem Schaufeln der Kohlen in die Feuerung unter dem Kessel bestimmt voll beschäftigt.
1973 – 74 wurden viele Strecken der Bundesbahn elektrifiziert. In dieser Zeit mußten die  Erzzüge von Ruhrort–Hafen über Oberhausen, Frintrop, Borbeck, E-Hauptbahnhof und Steele  zur Heinrichshütte nach Hattingen umgeleitet werden. Für schwere Güterzüge hatte die Bundesbahn die Dampflokomotiven der Baureihe 044 eingesetzt. Mit einer Zugkraft von 2400 Tonnen konnten sie auch die Wagen voller Erz mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf ebener Strecke ziehen.  Sie waren die größten und leistungsstärksten Dampfloks der Bundesbahn. Bei den Eisenbahnern wurden sie „Jumbos“ genannt.

Mit der ersten Dampflok zwischen Nürnberg und Fürth begann am 7. Dezember 1835 das Eisenbahnzeitalter in Deutschland. Am 27.10.1977 fuhr der letzte planmäßige Dampfzug vom Hafen Emden zum Rangierbahnhof Emden. Viele Eisenbahnfreunde haben diese Fahrt mit ihren Fotoapparaten begleitet. Seit diesem Tag werden alle Züge nur noch von Diesel- und Elektroloks gezogen. Nach 142 Jahren ging damit ein Zeitalter zu Ende!
Auch die Hütte in Hattingen ist „Geschichte“. 1987 wurden die beiden Hochöfen und das schwere Walzwerk, 1993 das Stahlwerk und 2003 die Schmiede stillgelegt. Heute ist daraus ein Industriemuseum geworden.

Als ich Herrn Koerner die Fotos vom Zug zeigte, war er voll begeistert. Er hat sie sofort an die Presse weitergeleitet. Die „Borbecker Nachrichten“ haben am 13. Februar 2013 unter der Überschrift „Gestern und heute auf einen Blick“ auf einer ganzen Seite das Eisenbahnfoto gedruckt und beschrieben, was sich alles in 40 Jahren in Borbeck verändert hat.  Im Borbecker Kalender 2015 ist das Eisenbahnfoto im Monat Mai auch abgedruckt worden.

An der Bruchstein–Mauer sind Anzeigen zu erkennen: Die „MOCCA RICA“ Großrösterei wirbt für ihren Kaffee, daneben ist ein Hinweis auf die „Kronen Brauerei“ mit einem großen Richtungspfeil. Die Kaffeerösterei gibt es schon viele Jahre nicht mehr – aus der „Kronen“ ist heute die „Dampfe“ geworden, ein beliebter Treffpunkt für Stammtischfreunde und Familien. Der große Platz vor dem Bahnhof wurde völlig verändert: dort ist jetzt ein moderner Verkehrsknoten-Punkt für Busse, Straßenbahnen, S– und Regionalbahnen in fast alle Essener Stadtteile und nach Oberhausen und Bottrop entstanden. Zu den Bahnsteigen am Bahnhof Borbeck gibt es einen barrierefreien Zugang. Die Marktstraße in Borbeck wurde autofrei, nur die Straßenbahn fährt noch dadurch. Für den Autoverkehr ist die Borbecker-Straße durch einen neuen Tunnel unter der Eisenbahn bis zur Otto-Brenner-Straße und dem Gewerbegebiet Wolfsbank verlängert worden.

Borbeck ist ein Besuch wert. An Markttagen ist immer viel los – man trifft Bekannte zu einem „Plausch“ und kauft Obst und Gemüse ein!


Quellen: eigene Fotos vom Dezember 1973 und persönliche Erinnerungen, Eisenbahnliteratur und Internet.

10. Februar 2023, Günter Napierala  / Altenessener Geschichtskreis