Geschichte im Essener Norden

 

Der Jüdische Friedhof im Segeroth 

Der Friedhof im Segeroth steht unter Denkmalschutz. Er ist ein wichtiger Ort zur Stadtgeschichte von Essen. Auf den Gräbern sind die Namen von Menschen, die in dieser Stadt gelebt und sie mit geprägt haben, die aber auch von den Nazis verfolgt und ermordet worden sind. Als „Haus der Ewigkeit“ ist er auch ein Ort der Erinnerung gegen das Vergessen.

Schon im Mittelalter lebten Juden in Essen. Es waren aber nur wenige. Ab dem 17. Jahrhundert wird ein jüdischer Friedhof erwähnt. Als die Zahl der Juden zunahm, wurde an der Lazarettstraße ein neuer Friedhof eröffnet. Hier fanden von 1837 bis 1923 Beerdigungen statt. An der Stelle ist heute ein Denkmal zur Erinnerung.

1863 hat die Stadt Essen neben dem Arbeiterviertel Segeroth ein großes Grundstück für einen Kommunalfriedhof erworben. 1885 erwarb der Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Essen, Isaac Hirschland, einen Teil des Geländes zur Anlage eines eigenen Friedhofs.


Im Juli 1885 wurde Simon Hirschland hier beerdigt, es war die erste Grabstätte. Das Grabmahl gibt es heute noch.

Die Familie Hirschland stammt aus Steinheim im Kreis Höxter. Salomon Hirschland zog nach dem Tod seiner Frau 1815 mit seinen sieben Kindern nach Essen. Dort wurde er Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Sein Sohn Simon gründete 1841 ein Handelsunternehmen (bis 1855) und eine Bank. Mit dem Beginn der Industrialisierung und dem Aufstieg des Bergbaus erlebte das Bankgeschäft einen großen Aufschwung. Zu seinen Kunden zählten Krupp, Stinnes, Grillo, Haniel und viele andere Industrielle.  Simon Hirschland war auch viele Jahre im Vorstand der Essener Synagogengemeinde.

Die Hirschland-Bank wurde in den folgenden Jahrzehnten zur größten Privatbank in Deutschland mit vielen internationalen Beziehungen. Ab 1933 begann die Diskriminierung der jüdischen Unternehmen durch die NSDAP. 1938 versuchte die Familie Hirschland die Bank zu verkaufen, Angebote anderer deutscher Banken sind aber von den NS-Behörden nicht genehmigt worden. Es kam zu einer „Zwangsarisierung“ mit großen Verlusten für die Familie. Der Verfolgung durch die Nazis konnten die Hirschlands durch eine Flucht nach Amerika entgehen. Zur Erinnerung wurde 1985 der Wiener Platz in Hirschland Platz umbenannt.


Im  zweiten Weltkrieg wurde die Trauerhalle von 1903 auf dem jüdischen Friedhof durch einen Bombenangriff zerstört. Auf Druck der Gestapo mussten 1943 Grabsteine zur „Weiterverarbeitung“ an Steinmetze verkauft werden. Fast alle Metallbuchstaben, Gitter und Ketten aus Metall wurden als „Metallspende des deutschen Volkes“ von den Gräbern entfernt. Noch 1959 sind Grabsteine mit Nazi-Symbolen beschmiert und umgestürzt worden.

Auf dem Friedhof stehen heute über 700 Grabsteine. Viele sind über hundert Jahre alt. Die Namen der Menschen, die hier bestattet wurden, sind vielfach in hebräischer und lateinischer Schrift auf den Steinen zu lesen, manche waren verwittert und unleserlich. Oft sind auch noch die Jahreszahlen zu erkennen. Fast alle Grabsteine haben Symbole, die sinnbildlich für die Jüdische Geschichte stehen: der Davidstern, ein Palmwedel, Betende Hände, der siebenarmige Leuchter und viele andere. Auf einigen Grabsteinen sind später auch Gedenktafeln mit Namen angebracht worden, die an die Ermordung von Juden durch das NS-Regime erinnern: Deportiert 1941 und umgebracht, 1941 verhaftet und 1945 im Konzentrationslager ermordet und viele andere Hinweise.

Der Nabu Ruhr hat im Einverständnis mit der Jüdischen Gemeinde auf dem Friedhof Vogelnistkästen angebracht. Im Frühjahr 1991 haben wir mitgeholfen, diese Nistkästen zu reinigen. Dabei hatten wir die Möglichkeit, Fotos von Grabsteinen zu machen.

Im April 2016 waren wir im Steinheim Institut der Universität Essen für Deutsche und Jüdische Geschichte. Dort werden Informationen zu jüdischen Friedhöfen gesammelt und wir haben vieles darüber erfahren.

Der Friedhof ist nicht frei zugänglich. Von der „Alten Synagoge“ werden nach Anfrage Gruppenführungen durchgeführt. Die Beerdigungsriten und die Bedeutung der Friedhöfe in der jüdischen Religion werden dabei erläutert. Es kommen auch immer noch Angehörige von jüdischen Familien nach Essen, wenn Stolpersteine verlegt werden, sie besuchen dann auch den Friedhof.

Quellen: (Auswahl)
Internet, Zeitungsberichte ab 1985  und eigene Fotos von 1991

04.03.2024 Altenessener Geschichtskreis, Günter Napierala